Hintergründe der Banken- und Staatskrise

 

  1.  Krankes Geld

Seitdem die Menschen nicht mehr nur noch jagen uns sammeln, gibt es Geld. Es kam ganz natürlich und automatisch in Umlauf als Tauschmittel, als die Menschen sesshaft wurden und anfingen, zu produzieren, um nicht immer Ware gegen Ware tauschen zu müssen. Jahrtausende lang benutzten die Menschen etwas an sich („intrinsisch“) Wertvolles, in kleine oder grössere Einheiten Teilbares als Tauschmittel bzw. Geld, so wie Salz, Muscheln und ab der Bronzezeit auch Halbedel- und Edelmetallmünzen. Dieses Geld konnte gegen Waren und Dienstleistungen getauscht werden und diente somit auch als Wertspeicher, ein entscheidender Vorteil zum Beispiel gegenüber leicht verderblicher Ware wie Früchte, Gemüse o.ä., mit denen man nicht sparen konnte. Das ging lange gut und bis auf immer wiederkehrende Versuche der für die Münzprägung Verantwortlichen, den Feingehalt der Edelmetalle in den Münzen zu verringern, war ein solches Tauschmittel wenig manipulierbar und behielt seinen Wert über die Zeit. Wer schon einmal Gelegenheit hatte, die Ausstellung der Grabbeigaben des altägyptischen Königs Tutenchamun zu besuchen, hat vielleicht auch die etwa 30 Gramm schwere Goldmünze gesehen, die dort mitausgestellt wird und zu der es ein in ägyptischen Hieroglyphen geschriebenes und von Wissenschaftlern übersetztes Dokument gibt, auf dem aufgeschrieben steht, was eine solche Münze zu Lebzeiten des Pharao vor circa 3300 Jahren kaufen konnte. So konnte sich etwa ein Mann damit festlich einkleiden oder zum Beispiel seine Familie einen Monat lang ernähren. Betrachten wir den Preis einer solchen etwa eine Unze schweren Münze heute von immerhin etwa 1300 Euro, müssen wir feststellen, dass sie uns auch heute einen Monat ernährt oder uns immer noch erlaubt, festlich einzukleiden.

Auch wenn Gold diese wunderbare Eigenschaft des Werte zu speichern besitzt, wurde es bereits vor vielen Jahren seines monetären Charakters beraubt und gilt heute nicht mehr als offizielles, sondern wenn überhaupt als inoffizielles Zahlungsmittel.

Anstelle des Gold gedeckten Systems haben wir es heute mit einem Geld zu tun, dessen einzige „Deckung“ Schulden darstellen, bzw. das Versprechen, diese zurück zu zahlen. An dieser Stelle glaubt so mancher Leser wahrscheinlich einen Fehler entdeckt zu haben, dem ist aber nicht so. Das moderne Papiergeld ist tatsächlich durch Schulden gedeckt.

Das ist ganz einfach zu verstehen, wenn man sich den Prozess des Schuldenmachens, der bezeichnenderweise auch Geldschöpfungsprozess genannt wird, mal unter die Lupe nimmt. Schulden entstehen nicht, indem Banken vorhandenes Geld gegen Zinsen ausleihen – weit gefehlt. Sie entstehen, indem einem Kreditnehmer, natürlich nur bei vorhandenen Sicherheiten, neues elektronisch erzeugtes Geld zur Verfügung gestellt wird. Für den Empfänger des Kredites entsteht so ein verzinstes Darlehen, das im Falle eines Häuslebauers mit dem Markt-Wert von Haus und Grund unterlegt ist und im Falle der Regierung mit der blossen Fähigkeit, den Bürgern Steuern abzupressen. Ein so „gesichertes“ Darlehen bringt also in seiner Höhe Geld in Umlauf und stellt für den Kreditgeber – die Bank – einen Aktivposten, also einen Vermögensgegenstand dar, der als zinstragende Obligation mit anderen Marktteilnehmern handelbar ist. Des einen Schulden sind also des anderen Investment, da haben wir es: unser Geld ist tatsächlich durch Schulden gedeckt. Ehrlicherweise muss man hier einräumen, dass ein ganz kleiner Teil des Geldes, nämlich das Bargeld, nicht in diese Kategorie gehört, sondern von der Zentralbank gedruckt wird. Hier handelt es sich aber um nur etwa 4% der gesamten Geldmenge, der Rest basiert auf Schulden.

Dieses Geld bringt mehrere Probleme mit sich. Einige dieser treten erst spät auf, andere sind sofort vorhanden und zu lösen.

Das akuteste Problem eines solchen Systems ergibt sich aus dem Missverhältnis zwischen Bargeldmenge (ca. 4%) und der Menge des elektronisch generierten Schuldengeldes (ca. 96%), des sogenannten Giralgeldes. Man kann dieses Giralgeld nicht einfach bar abheben, weil einfach zu wenig Bares im Umlauf ist. Deshalb darf zum Beispiel ein Häuslebauer Rechnungen mit seinem Kredit nur per Überweisung bezahlen. Auch die Bundesregierung nimmt kaum Bares in die Hand wenn sie Schulden macht. Sie bezahlt damit Rechnungen auch nur auf elektronischem Wege. Das Problem bleibt aber bestehen, da ja zum Beispiel der von der Regierung bezahlte Beamte einen Teil seiner Vergütung bar abhebt. Aber auch hier bleibt der grösste Teil in Form von Mietzahlungen oder die Anhäufung von Ersparnissen elektronisch abgewickelt. Wenn aber in bestimmten Momenten zu viele Menschen Bargeld von einer Bank abholen, kann diese in akute Bargeldnot kommen. Für eine solche als Bank-Run bekannte Situation gibt es die Institution der Zentralbank, die dann akut die fehlenden Mittel bereitstellen muss und so das Missverhältnis zwischen Bargeld und elektronischem Giralgeld löst.

Ein weiteres Probleme tritt dadurch auf, das Banken für die Erzeugung des elektronischen Giralgeldes als Sicherheit nur sehr wenige Eigenmittel haben müssen. Diese Eigenmittel sind für die Europäischen Länder durch die Zentralbank auf minimal 2% Prozent festgelegt worden und liegen in der praktischen Realität auch nur ein bis drei Prozentpunkte über diesem Wert. Wenn die Banken bei der Kreditvergabe zum Beispiel die Kreditwürdigkeit des Schuldners falsch einschätzen, wie im Falle der sogenannten Subprime Hypotheken in den USA geschehen, verlieren sie durch die dann folgenden Kreditausfälle schnell das Eigenkapital und sind dann technisch gesehen pleite. Auch in diesem Fall springt die Zentralbank ein und nimmt der betroffenen Bank zum Beispiel die schlechten Kredite zum alten Nominalwert ab bzw. tauscht diese gegen „gute Obligationen“ zum Beispiel der eigenen Regierung ein, um den technischen Bankrott der Bank abzuwenden.

Ganz schlimm wird es für die Bank, wenn die eigene Regierung durch übermässiges Schulden machen die Zinsen auf die ausstehenden Schuldscheine nicht mehr leisten kann und es somit keine wirklich „guten Obligationen“ mehr zum eintauschen gibt, wie kürzlich in Griechenland geschehen. Da die Staatsschulden industrialisierter Länder bisher als risikofrei galten, ist in dem Falle das Schulden-basierte Geld akut gefährdet. Da man um diese Gefahr weiss, wurden in den Europäischen Vertragen eigens Vorkehrungen getroffen, die dieses Situation vermeiden sollten. So wurde eine Schuldenobergrenze von 60% des Bruttonationalprodukts (BNP) festgelegt, die als tragbar angesehen wurden. Und um die Schuldenaufnahme der Regierungen zu bremsen, wurde ein Neuverschuldungs-Limit von 3% des BNP pro Jahr festgelegt. Man glaubte so mit einem Wirtschaftswachstum von nominal (nicht-inflationsbereinigt) minimal 3%, die Gesamtverschuldung auf einem gleichbleibenden Niveau halten zu können. Durch das Fehlen einer wirksamen Kontrollinstanz mit Sanktionsrechten auf der einen Seite und mit der Einführung von Schlupflöchern bei der Neuverschuldung wie der Möglichkeit, staatliche Investitionen von der Neuverschuldung abzuziehen und durch viel zu optimistische Projektionen des erwarteten Wirtschaftswachstums, wurde diese virtuelle Schuldenbremse aber massiv unterlaufen, so dass wir heute in Europa praktisch kaum noch Staaten mit Verschuldungsquoten unter 60% BNP finden.

Das aller schwerwiegendste Problem des Schulden basierten Geldes ist aber die Tatsache, dass es in Form von Zinszahlungen ständig reale Werte aus der Wirtschaft zieht und an die Kreditgeber, also die Banken umleitet, was diesen zum einen sagenhafte Löhne und Boni als Ausdruck ihrer privilegierten Stellung im Geldschöpfungssystem beschert, zum anderen aber jährlich steigernde Kreditvergabemengen bedingt, da sonst der wachsende Zinseszins-Berg bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum nicht bezahlbar ist. Die mit dem Schuldengeld verbundene Zinseszins-Zahlung stellt ein Element mit Exponential-Charakter dar, das das System der Nachhaltigkeit beraubt und damit gleichzeitig die Endlichkeit des Systems bedingt. Mit anderen Worten ist das Scheitern unseres heutigen Geldsystems mathematisch vorprogrammiert, und wir befinden uns bereits auf der steilen, sich asymptotisch der Katastrophe nähernden Strecke der Exponentialkurve.

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