Warum jede Neuverschuldung des Staates eine kriminelle Handlung darstellt

19.09.11

Macht korrumpiert, wie wir alle wissen, und das gilt auch für politische Akteure. Statt dem Volkswohl, haben Mandatsträger häufig unverhohlen die Privilegien und persönlichen Vorteile im Auge, die ihnen die Bekleidung eines öffentlichen Amtes zugänglich macht. Dass dem so ist, bestätigen uns die von Politikern für Politiker gemachten Pension-Regeln mit Berechtigung nach kurzer Dienstdauer und der Möglichkeit von Mehrfachbezügen sowie die lächerlichen Argumente die bei der alle paar Jahre wieder aufflammenden Diskussion über Mehrfachmandate von der politischen Kaste zum Schutz ihrer Pfründe ins Feld geführt werden. Den Vätern nicht nur der sehr freiheitlichen Verfassung der USA sondern auch des Grundgesetzes war dieser Umstand nur allzu bekannt und so haben sie gewisse Bremsen vorgesehen, die den Machthunger der Politiker begrenzen und die individuelle Freiheit der Bürger schützen sollen. Eine solche Massnahme ist die strikte Gewaltenteilung, zu der sich Deutschland in Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes bekennt. Die von dem englischen Sozialphilosophen John Locke 1690 in seinem Werk „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ entwickelte Lehre von der Gewaltenteilung wurde von Baron de Montesquieu in seiner 1748 erschienenen Schrift „Vom Geist der Gesetze“ so weiter entwickelt, wie wir sie heute verstehen. Dabei ist die gesetzgebende Gewalt (Legislative), von der ausführenden Gewalt (Exekutive) strikt zu trennen, wobei die erstere heute vom Parlament und die zweite von der Regierung ausgeübt wird und eine klare Trennung nicht immer erkennbar ist. Die Recht-sprechende Gewalt, auch als Judikative bezeichnet, muss demnach von unabhängigen Gerichten ausgeübt werden. Auch hier drängt sich bei der heute gängigen Praxis der Parteien-gesteuerten Besetzung der Richterposten am Verfassungsgericht die Frage nach der Unabhängigkeit auf.

Laut Montesquieu sind die beiden Bedingungen für bürgerliche Freiheit (i) die Bindung der Machthaber an Gesetze und (ii) die Unterbindung des Einflusses der Machthaber auf die Gesetze um zu verhindern, dass „…derselbe Senat tyrannische Gesetze erließe und dann tyrannisch durchführte…“ (Vom Geist der Gesetze, Kap. 6). Diese Forderung wird durch die Gewaltenteilung erreicht, die damit zu einem Grundpfeiler der Verwirklichung des Freiheitsbegriffes wird.

Ein zweiter Grundpfeiler sind die in allen Europäischen Verfassungen verankerten unveräusserlichen Grundrechte der Bürger, die die äussersten Limite von demokratischen Mehrheitsbeschlüssen darstellen. Ein noch wichtigerer Passus, befasst sich mit der Legitimation der Macht im demokratischen Staat, dem sogenannten Gesellschaftsvertrag, deren wichtigstes Element die Zustimmung der Bürger ist. Allerdings ist hier das deutsche Grundgesetz gegenüber dem amerikanischen Vorbild schon recht mangelhaft, da es die dort explizit genannten Legitimierungsformen wie das Sezessionsrecht (Austrittsrecht aus der Föderation), das notwendige Referendum bei geplanter Erhöhung der Abgabenlast der Bürger oder der Verschuldung des Staates (nur einige Bundesstaaten wie Kalifornien etc.) und das Initiativrecht (der Bevölkerung gegen Gesetzesvorlagen oder Beschlüsse der Regierung) nicht kennt.

So wie Griechenland, Irland und Portugal erhöht auch der deutsche Staat seit seiner Gründung mit wenigen Ausnahmen Jahr für seine seine Schuldenlast um viele Milliarden. Als Grund wird immer eine aussergewöhnliche Notsituation präsentiert und im Fall der jüngsten Rettung einiger Grossbanken sogar mit dem Untergang der Welt gedroht, falls diese Neuverschuldung im Parlament auf Widerstand stossen sollte. Wir müssen uns aber in Erinnerung rufen, dass der Staat mit der Neuverschuldung mehr Verteilungsspielraum schafft und Verteilungsspielraum bedeutet im Zeitalter der westlich abendländischen Demokratien mehr Macht. Wie der Staat überhaupt jedes Jahr seine bestehende Verschuldung um zig Milliarden erhöhen kann ist ein anderes Geheimnis, das wir an anderer Stellen lüften werden. Nur soviel sei hier gesagt: ohne die Kollaboration des Bankensektors, die zu diesem Zweck legal in die Lage versetzt wurde, Schuldscheine des Staates zu kaufen, ohne das notwendige Geld dafür zu besitzen, wäre die Staatsverschuldung in den vorliegenden Dimensionen gar nicht machbar. Wenn der Staat Schulden macht, muss er aber in Zukunft mehr Zinsen zahlen. Da dem Staat nur die auf Gewaltandrohung begründete Besteuerung seiner Bürger als Einnahmequelle zur Verfügung steht, bedeutet eine Neuverschuldung eine Erhöhung der Abgabenbelastung der Bürger. Diese Erhöhung bedeutet aber eine einseitige Verletzung des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages, der wie jeder andere Gesellschaftsvertrag durch einseitige Änderung ungültig wird und damit auch die Gegenseite, also das Volk, von seinen eingegangenen Verpflichtungen befreit, insbesondere derjenigen, für die Garantie der Freiheits- und Eigentumsrechte DURCH den Staat, einen Teil eben dieser Freiheits- und Eigentumsrechte AN den Staat abtreten zu müssen.

Daraus lässt sich folgern, dass die Neuverschuldung – weil mit einem Rechtsbruch einhergehend – illegal und damit auch kriminell ist und dass sie genau wie eine jegliche Steuererhöhung nur durch Zustimmung in einem Referendum legalisiert werden kann.

Da in der deutschen Politik auf Bundesebene derzeit keine Referendum vorgesehen ist und es auch kein Initiativ-Recht in Deutschland gibt, wäre zu diskutieren, ob diese Verletzung des Gesellschaftsvertrages, den Souverän, also das Volk, in letzter Konsequenz auch zu Ungehorsam berechtigt.

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